Hautgeschichten (2):
Ich war ein Kratzbündel hoch zehn
Christine lebt seit ihrer Kindheit mit Neurodermitis. In diesem Interview erzählt die 41-Jährige von den Herausforderungen und Erfolgen im Umgang mit der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung.*
Christine lebt heute in Berlin und kann das Leben endlich wieder genießen. Doch das war nicht immer so. Im Interview spricht sie offen über ihre Geschichte mit Neurodermitis.
Seit wann lebst du mit Neurodermitis?
Christine: Schon als Kleinkind, eigentlich seit ich ein Säugling war, habe ich Neurodermitis. Meine Mutter erzählte, dass der Kinderarzt damals die Diagnose stellte. Die Neigung zu Neurodermitis habe ich von meinem Vater geerbt.
Wie kann man Neurodermitis jemanden beschreiben, der nicht mit der Erkrankung lebt?
Christine: Es fühlt sich an wie ein immerwährender Mückenstich am ganzen Körper. Es ist wie ein permanenter Juckreiz, der sehr belastend ist. Die offenen, schuppenden Hautstellen schmerzen und brennen. Besonders betroffen waren mein Kopf, Gesicht und meine Hände. Ich war ein Kratzbündel hoch zehn.
Wie wirkte sich Neurodermitis auf deinen Alltag aus?
Christine: Ich konnte nicht schlafen, da ich mich oft nachts kratzte und dadurch wach wurde. Das hatte zur Folge, dass ich tagsüber müde und erschöpft war. Meine Hände waren oft blutig gekratzt. Ich musste sie regelmäßig eincremen und Baumwollhandschuhe tragen, weil ich dann schmierige, fettige Hände hatte und ich mich für die Ekzeme an den Händen schämte.
Wie verlief die Krankheit in den vergangenen Jahren?
Christine: Neurodermitis verlief in unvorhersehbaren Schüben. Über Jahre hinweg traten die Hautentzündungen und der Juckreiz immer wieder auf, verschwanden, und kamen plötzlich wieder zurück. Man weiß nie, wann und warum die Beschwerden wiederkommen. Neurodermitis ist unberechenbar.
Wie hast du zur heutigen Therapie gefunden?
Christine: Die Suche nach wirksamen Behandlungen war sehr langwierig. Verschiedene Salben, Kortison und Bestrahlung brachten nur begrenzte Linderung. Von modernen Therapien hörte ich erstmals von meiner Mutter, die eine Patientengeschichte im TV sah. Dann begegnete ich zufällig einer Frau, die schon Erfahrungen mit einer modernen Systemtherapie gemacht hatte: „Schauen Sie sich meine Hände und meine Haut an," hat sie damals gesagt. „Ich sah vorher genauso aus wie Sie." Ihr Hautzustand war normal. Sie hatte keinerlei wunde, aufgekratzte Stellen. Das war schon sehr überzeugend.
Ich fragte dann meine damalige Ärztin nach dieser Therapie, doch sie wollte mir diese nicht verschreiben. Um eine Zweitmeinung einzuholen, wechselte ich zu einer anderen Hautärztin und bekam dann eine moderne Therapie. Meine Haut besserte sich schnell und juckte nicht mehr. Ich war begeistert! Diese Langzeittherapie muss ich regelmäßig anwenden, um die Beschwerden in Schach zu halten.
Wie hat sich Ihr Leben durch die Behandlung verändert?
Christine: Die Lebensqualität hat sich deutlich verbessert. Ich schlafe besser und mein Hautzustand hat sich stabilisiert. Ich bin zuversichtlicher geworden und traue mich wieder, kürzere Kleidung zu tragen. Obwohl die Neurodermitis nicht vollständig verschwunden ist, hat mir die Therapie geholfen, ein normales Leben zu führen.
Gibt es noch etwas, das Sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben möchten?
Christine: Die richtige Therapie zu finden, war für mich ein langes „Hin und Her“. Es ist wichtig, niemals die Hoffnung aufzugeben. Jeder sollte dranbleiben und dabei nach Lösungen suchen, die für einen selbst funktionieren. Wenn man das Gefühl hat, der Hautarzt hilft einem nicht weiter, sollte man jedenfalls eine Zweitmeinung einholen.
Ein herzliches Dankeschön an Christine für dieses offene und ermutigende Interview.
*Die Geschichte beruht auf einem Tiefeninterview mit einer Neurodermitis-Patientin, die von dem Marktforschungsinstitut Integral im Frühsommer 2024 geführt wurden. Aus Anonymitätsgründen wurde der Name geändert. Insgesamt führte Integral Telefoninterviews mit fünf Menschen, die mit der Diagnose Neurodermitis leben.