Neurodermitis: Stress für die Haut
Hautärztin Prof. Dr. Gudrun Ratzinger von der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in Innsbruck erklärt, wie die Haut auf Stress reagiert und wie man gegen Stress bei Neurodermitis vorgehen kann.
Was ist Stress und was bedeutet Stress für die Haut?
Prof. Dr. Ratzinger: Stress ist die Reaktion des Körpers auf Herausforderungen oder Belastungen. Diese können körperlich oder psychisch sein. Physischer Stress wird beispielsweise durch eine Infektion, Hitze, Schwitzen, hohe bzw. niedrige Luftfeuchtigkeit oder Trockenheit erzeugt. Angstgefühle oder Stigmatisierung können zu psychischem Stress führen. Wenn man psychisch sehr unter Druck steht, kann sich das auch auf das Immunsystem auswirken und die Erkrankung beeinträchtigen. Die Haut als Spiegel der Seele reagiert sehr auf diese Einflüsse.
Kann Stress Neurodermitis auslösen?
Prof. Dr. Ratzinger: Stress zählt zu den sogenannten Trigger- oder Provokationsfaktor der Neurodermitis. Er kann also dazu beitragen, dass ein neuer Schub ausgelöst wird oder sich die Beschwerden verschlimmern. Ebenso kann Neurodermitis zu einer Stressquelle werden: Juckreiz, Angst vor dem nächsten Schub, Scham durch die sichtbaren Hautentzündungen – viele Facetten der Erkrankung können belasten. Wenn die Haut bei Neurodermitis juckt und schmerzt, stresst das Patienten. Der Juckreiz führt dann wiederum zu mehr Hautirritationen und weiteres Kratzen verstärkt den Effekt. Es kann zu einem andauernden Juck-Kratz-Kreislauf kommen, den es mit geeigneten Therapien zu durchbrechen gilt.
Wie kann man Neurodermitis – als Stressquelle – unter Kontrolle bekommen?
Prof. Dr. Ratzinger: Neurodermitis belastet Betroffene in vielerlei Hinsicht: nicht nur der Alltag ist beeinträchtigt, auch das Gemüt leidet: schlechte Laune, Frustration und Verzweiflung sind die Folge. Das wichtigste Ziel ist es deshalb, die Therapie soweit zu optimieren, dass Menschen mit Neurodermitis möglichst unbeeinträchtigt leben können. Denn gut therapierte Patienten sind zufriedene Patienten!
Je nach Schwere und Verlauf steht ein breites Behandlungsspektrum zur Verfügung. Basis dafür ist eine gute Diagnostik der Ausgangssituation: Liegen zum Beispiel Begleitallergien (z.B. Nahrungsmittelallergien) vor, können Vermeidungsstrategien oder Behandlungen helfen.
Die Lokaltherapie richtet sich nach den individuellen Präferenzen der Betroffenen: die richtige Creme, Salbe oder Lotion findet man durch Ausprobieren und in Absprache mit dem Hautarzt. Reicht die Basispflege nicht, kommen Cremen oder Salben mit Wirkstoff, z.B. Kortisonsalben oder Calcineurin-Inhibitoren, zum Einsatz. Lichttherapien werden häufig in der kalten Jahreszeit angewendet, um Schübe zu verhindern. Hilft auch das nicht, sollten Systemtherapien möglichst frühzeitig zum Einsatz kommen. Dabei stehen zwei Therapieformen zur Verfügung: Biologika als Injektion oder Spritze sowie Januskinase-Hemmer (JAK-Hemmer) als Tablette. Diese Therapien unterbinden die Entzündung, reduzieren den Juckreiz und geben Patienten die Lebensqualität zurück.
Welche weiteren Alltagstipps gibt es gegen Stress?
Prof. Dr. Ratzinger: Stressfaktoren, auf die man reagiert, sollten so gut wie möglich vermieden oder eingeschränkt werden. Entspannungsmethoden wie Yoga oder autogenes Training unterstützen beim Stressabbau. Selbsthilfegruppen (in Österreich: Österreichische Lungenunion www.lungenunion.at) ermöglichen einen wertvollen Erfahrungsaustausch und geben Tipps zum positiven Umgang mit Neurodermitis. Mit Psychologen können zudem individuelle Strategien zur Stressbewältigung erarbeitet werden. Wichtig ist, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und sich – gerade im stressigen Alltag – auch etwas Gutes zu tun!
Stand der Information: 20. März 2023