Woman Balance Podcast: Wissenswertes zu Neurodermitis

In der aktuellen Podcast-Folge des Magazins Woman Balance spricht Medizin-Redakteur Patrick Schuster mit Ärztin Dr. Penelope Hannert von der Dermatologischen Abteilung am Landesklinikum Wiener Neustadt über Neurodermitis und warum man die chronisch entzündliche Hautkrankheit nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Hier ein kurzer Auszug des spannenden Interviews. 


Redakteur Patrick Schuster: Neurodermitis - das ist definitiv mehr als bloß ein harmloser Hautausschlag. Frau Doktor Hannert, was ist eigentlich Neurodermitis?

Dr. Penelope Hannert: Die Neurodermitis ist eine entzündliche Hauterkrankung, die in Schüben auftritt. Sie tritt über einen längeren Zeitraum wiederkehrend auf. Die Betroffenen leiden an trockenen, rötlichen und entzündeten Stellen, die wir auch als Ekzeme bezeichnen. Betroffene leiden vor allem unter dem starken Juckreiz.

Redakteur Patrick Schuster: Man hört häufig von der Neurodermitis im Zusammenhang mit dem Begriff „systemische Erkrankung“. Was meint die Medizin damit?

Dr. Penelope Hannert: Neben diesen Ekzemen, die eigentlich nur die Spitze des Eisberges sind, ist der ganze Organismus von der Erkrankung betroffen. Die gesamte Haut bei Neurodermitis-Betroffenen ist sehr rau und sehr trocken, nicht nur die Stellen mit Ekzemen. Die Hautbarriere ist geschädigt und so können von außen leichter Fremdstoffe in den Körper eindringen und es kommt zu einer Entzündung. Durch das fehlgeleitete Immunsystem wird die Entzündung weiter angekurbelt.

Redakteur Patrick Schuster: Verläuft Neurodermitis bei jedem gleich oder gibt es unterschiedliche Abstufungen oder  Schweregrade?

Dr. Penelope Hannert: Es gibt verschiedene Formen der Neurodermitis. Eine leichte Form wäre, wenn Ekzeme nur an wenigen Stellen auftreten. Die Hautärzte erstellen hier eine Blick-Diagnose und beurteilen, wie rot oder entzündet ist die Haut? Wie verdickt ist die Haut, wie sehr nässt sie? All das spielt mit bei der Einteilung in den richtigen Schweregrad. Wichtig zu wissen: Der Erkrankungsverlauf und die Schweregrade können variieren. Ein leichte Neurodermitis muss nicht immer eine leichte Neurodermitis bleiben.

Redakteur Patrick Schuster: Ist die Diagnose dann erst mal gestellt, ist die Basis für die Weiterarbeit sprich, die Therapie, geschaffen. Die gute Nachricht ist: in den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich viel getan. Die Forschung hat Fortschritte zu verzeichnen. Was gibt es denn da für Behandlungsmöglichkeiten, die heute im Spital oder bei niedergelassenen Hautärzten Anwendung finden?

Dr. Penelope Hannert: Die Basistherapie mit einer wirkstoff-freien Creme oder Lotion ist für alle Schweregrade der Neurodermitis wichtig. Wenn Ekzeme auftreten, kann eine anti-entzündliche Therapie zum Einsatz kommen, beispielsweise Kortison-Cremen oder Calcineurin-Inhibitoren-Cremen. Wenn das nicht ausreicht, stehen Systemtherapien zur Verfügung. Ältere, konventionelle Systemtherapien unterdrücken das Immunsystem auf eine breite Weise. Glücklicherweise gibt es jetzt seit einigen Jahren auch moderne System-Therapien, die gezielt in diesem immunologischen Prozess dort ansetzen, wo die Entzündung der Neurodermits entsteht.

Redakteur Patrick Schuster: Was gibt es da für Möglichkeiten? Was sind die Errungenschaften auf dem Gebiet der Behandlung?

Dr. Penelope Hannert: Einerseits gibt es Biologika. Das sind biotechnologisch hergestellte kleine Eiweissstoffe, die mit einer Spritze oder Injektor unter die Haut gespritzt werden. Andererseits stehen kleine Moleküle in Tablettenform zur Verfügung, die auch das Immunsystem genau an der Kaskade hemmen, wo die Entzündung entsteht. Für Betroffene, die stark leiden, gibt es sehr gute Erfolge, was den Juckreiz und die Hauterscheinungen betrifft. Man kann fast erscheinungsfrei werden. Aber die Basistherapie mit Schmieren bleibt trotzdem wichtiger Bestandteil!

Redakteur Patrick Schuster: Das finde ich persönlich besonders ermutigend für Betroffene, wenn man sieht, dass man nicht aufgeben sollte und dass es wirklich Hilfe gibt. Bleiben wir bei den Hautärzten: Oftmals sind nur wenige Minuten pro Patient Zeit. Wie können sich denn Betroffene auf den Termin vorbereiten?

Dr. Penelope Hannert: Hilfreich ist, wenn Patienten Notizen zu ihren Vortherapien mitbringen und beschreiben, seit wann die Symptome bestehen. Auch Fotos von der entzündeten Haut helfen, um die Hautveränderungen im Zeitverlauf festzuhalten. Wichtig ist auch, weitere Vorerkrankungen mitzuteilen und wie diese behandelt werden.

Redakteur Patrick Schuster: Bleiben wir vielleicht kurz beim Alltag der Betroffenen. Gibt es vielleicht Tipps und Tricks, was zusätzlich zur Therapie getan werden kann? Was ist bei der Ernährung zu beachten?

Dr. Penelope Hannert: Es gibt keine Ernährungsempfehlungen für Neurodermitis. Spezifische Nahrungsmittelallergien sind bei Erwachsenen sehr selten. Aber Stress spielt eine Rolle. Verschiedene Methoden wie z.B. Muskelrelaxation nach Jacobson helfen, um mit Stress umgehen zu lernen. Zudem sollte man individuelle Auslösefaktoren wie z.B. kratzige Kleidung herausfinden und vermeiden. Studien belegen, dass sich auch Tabakrauch schlecht auf die Haut auswirkt. Um das Kratzen in den Griff zu bekommen, helfen einige Alternativen: z.B. die Basis-Creme in den Kühlschrank geben, statt dem Kratzen die juckenden Stellen abklopfen oder mit einer Sache, die einem guttut, ablenken.

Redakteur Patrick Schuster: Mit diesen Tipps haben wir einen runden Abschluss. Das Wichtigste ist: keinesfalls aufgeben und die Krankheit nicht einfach so hinnehmen also in diesem Sinne nicht unterkriegen lassen!


Tipp: Den vollständigen Woman Balance Podcast mit Dr. Penelope Hannert gibt es zum Nachhören hier


Über Dr. Penelope Hannert

Dr. Penelope Hannert ist Ärztin an der Dermatologischen Abteilung am Landesklinikum Wiener Neustadt. Zu ihren Schwerpunkten zählen unter anderem die Diagnose und Behandlung von chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen wie beispielsweise Neurodermitis.