Schlaflos durch Neurodermitis? Tipps für erholsame Nächte


Neurodermitis betrifft weit mehr als die Haut – die Beschwerden belasten den Alltag der Betroffenen und führen häufig zu Schlaflosigkeit. Der nächtliche Juckreiz kann zum ständigen Begleiter werden, der die dringend nötige Erholung raubt und die Lebensqualität dadurch beeinträchtigen kann. Viele Patienten kennen die Belastung durch schlaflose Nächte und das verzweifelte Kratzen nur zu gut. Im Interview gibt Prim. Dr. Nina Häring, Leiterin der Abteilung Dermatologie und Venerologie am Landeskrankenhaus Feldkirch, wertvolle Einblicke und Tipps, wie man zu erholsamem Schlaf finden kann.

Wie häufig sind Schlafprobleme bei Neurodermitis-Patienten?

Prim. Dr. Nina Häring: Schlafprobleme sind bei Neurodermitis-Patienten weit verbreitet. Bis zu 80 % der Betroffenen erleben aufgrund des nächtlichen Juckreizes zumindest gelegentlich Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen. Dabei ist Schlaf wichtig für die Erholung von Körper und Seele. Wird der Schlaf über längere Zeit gestört, leiden Patienten und ihre Familien sehr darunter.

Wieso macht sich Juckreiz nachts besonders bemerkbar?

Prim. Dr. Nina Häring: Am Abend, wenn man zur Ruhe kommt, wird der Juckreiz stärker wahrgenommen. Tagsüber gibt es viele Ablenkungen, die den Juckreiz in den Hintergrund drängen. Außerdem spielt der zirkadiane Rhythmus eine Rolle – das ist unser innerer 24-Stunden-Zeitgeber, der biologische Prozesse im Körper steuert, z. B. den Schlaf-Wach-Zyklus. Er beeinflusst auch das Immunsystem, was dazu führen kann, dass der Juckreiz abends intensiver wird.

Wie wirkt sich Schlafmangel aus?

Prim. Dr. Nina Häring: Schlafmangel verschlechtert die Lebensqualität und kann die Hautprobleme bei Neurodermitis verstärken, was einen Teufelskreis erzeugt. Die fehlende Erholung beeinträchtigt Körper und Immunsystem, was zu häufigeren Schüben führen kann. Zudem erhöht Schlafmangel den Stress, was die Belastung für die Patienten weiter verstärkt. Konzentrationsprobleme, Gereiztheit und Antriebslosigkeit sind häufige Folgen, die auch die Psyche belasten.

Wie können Neurodermitis-Betroffene wieder erholsam schlafen?

Prim. Dr. Nina Häring: Einige allgemeine Tipps können helfen: Das Schlafzimmer sollte kühl bleiben, idealerweise zwischen 16 und 18 Grad. Wir empfehlen atmungsaktive Bettwäsche und Schlafkleidung aus Baumwolle oder speziellen Fasern, die für empfindliche Haut geeignet sind. Wolle und synthetische Stoffe, die zum Schwitzen führen, sollten vermieden werden.

Eine gute Hautpflege ist wichtig. Abendliches warmes Duschen, jedoch nicht zu lange, und der Einsatz rückfettender Zusätze können unterstützen. Vor dem Schlafengehen sollte die Haut mit juckreizlindernder Pflege eingecremt werden. Kühlende Umschläge oder Gelkompressen sind oft angenehm. Zudem können kurz geschnittene Nägel helfen, Verletzungen durch unbewusstes Kratzen im Schlaf zu vermeiden. Wichtig: Schlafmittel sollten nur kurzfristig eingesetzt werden, da sie keine dauerhafte Lösung sind.

Was sind hilfreiche Tipps für ein besseres Einschlafen bei Neurodermitis?

Prim. Dr. Nina Häring: Feste Schlafzeiten und der Verzicht auf digitale Bildschirme eine Stunde vor dem Schlafengehen fördern den Schlaf. Abendliche Rituale, wie einen Tee trinken, lesen oder ruhige Musik hören, können zusätzlich helfen.

Entspannungstechniken wie Atemübungen oder Meditation unterstützen beim Abschalten. Für diejenigen, die nachts zu viel grübeln, kann das Aufschreiben der Gedanken beruhigend wirken. Das Zur-Ruhe-Kommen vor dem Schlafengehen ist sehr zentral!

Welche Therapien gibt es, um den Juckreiz zu lindern?

Prim. Dr. Nina Häring: Die Behandlung von Neurodermitis erfolgt in Stufen: Die wichtigste Basis bildet eine geeignete Hautpflege, die die Hautbarriere stärkt und schützt. Dazu gehören rückfettende Duschgele und Cremes. Bei leichten Ekzemen kommen kortisonhaltige bzw. entzündungshemmende Cremes zum Einsatz.

Für mittelschwere bis schwere Neurodermitis stehen systemische Therapien bereit, wie Biologika (als Spritze oder Pen verfügbar) und Januskinase-Inhibitoren (in Tablettenform). Dabei können Januskinase-Inhibitoren oft eine rasche Wirkung (innerhalb weniger Tage) gegen den belastenden Juckreiz bringen.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen bei Neurodermitis-bedingten Schlafproblemen?

Prim. Dr. Nina Häring: Die Kooperation mit Psychologen, Psychotherapeuten und Schlafmedizinern ist entscheidend für eine umfassende Betreuung von Patienten. Bei Kindern erfolgt die interdisziplinäre Zusammenarbeit zusätzlich mit Fachärzten der Kinderheilkunde.

Neurodermitis-Schulungen für Patienten und Angehörige bieten praktische Tipps, um das Schlafumfeld zu verbessern und zur Ruhe zu kommen. Viele Dermatologen bieten solche Schulungen an. Selbsthilfegruppen wie die Österreichische Lungenunion sind ebenfalls wertvolle Anlaufstellen für Unterstützung.

Gibt es noch etwas, das Sie den Patienten mit auf den Weg geben möchten?

Prim. Dr. Nina Häring: Fühlen Sie sich nicht allein! Bei Fragen sollten Sie stets Ihren Hautarzt aufsuchen! Moderne Therapien bieten viele Möglichkeiten, um die Lebensqualität zu verbessern. Suchen Sie Hilfe und verzweifeln Sie nicht – es ist wichtig, Unterstützung zu bekommen!


Über Prim. Dr. Nina Susanne Häring

Seit Januar 2025 ist Dr. Nina Susanna Häring, MBA, die neue Leiterin der Abteilung Dermatologie und Venerologie am Landeskrankenhaus Feldkirch. Die dermatologische Abteilung des Landeskrankenhauses Feldkirch ist führend in Vorarlberg und verfügt über ein breites medizinisches Angebot, das u. a. die Behandlung von Hautkrebs, Immunerkrankungen und Allergien abdeckt. Dr. Häring ist seit 2007 an der Abteilung beschäftigt. Zudem ist sie Präsidentin der Austrian Wound Association, die sich der Verbesserung der Versorgung von Patient:innen mit komplexen Wundheilungsproblemen widmet.


Stand der Information: 12 Mai 2025


Weitere Blogbeiträge: